#POLITIK: Türkisches Referendum - kommt jetzt das Kalifat?

Ok, um ehrlich zu sein, der Titel mag etwas nach Klatschpresse klingen. Aber aktuell sehen viele Sorgen und Ängste bezüglich des neuen türkischen Präsidialsystems so oder so ähnlich aus.
Worum geht es überhaupt? Das türkische Volk hat in einem Referendum am 16. April darüber abgestimmt, ob das aktuelle Regierungssystem beibehalten werden soll, oder ob das neue System eingeführt werden soll. Dieses Referendum verlief ziemlich knapp. Auf der JA-Seite (für die Veränderung) fanden sich 51,41% der Stimmen ein, die NEIN-Seite verlor mit ihren 48,59%.
Was ändert sich nun? Das neue Regierungssystem sieht einige Änderungen vor:

  • Parlamentssitze werden auf 600 erhöht
  • der Ministerrat mit dem Ministerpräsidenten wird abgeschafft
  • Misstrauensvotum und Vertrauensfrage werden abgeschafft (der Präsident kann nur durch ein Amtsenthebungsverfahren seinen Posten vorzeitig verlieren)
  • der Präsident kann das Parlament nach Belieben und zu jeder Zeit auflösen
  • der Präsident darf Mitglied (und folglich auch Vorsitzender) einer Partei sein
  • der Präsident ernennt 6 der 13 Verfassungsrichter
  • der Präsident kann Dekrete direkt nach Art eines Gesetzes erlassen
  • uvm.


Was kann das bedeuten? Der Präsident, um es mit dem Sport zu vergleichen, wird dann Besitzer, Trainer UND Spieler zugleich sein. Der Fairness halber muss man zugeben, dass es noch einige Kontrollmöglichkeiten gibt. Das Volk übergibt zwar einiges an Macht an das Staatsoberhaupt, ist aber dennoch nicht machtlos. Ebenso kann das Verfassungsgericht eingreifen (auch wenn es zu großen Teilen von ihm besetzt wird).
Die türkische Welt ist gespalten. Die eine Seite sieht hier endlich eine Chance, das Land aufblühen zu lassen. So kann der Präsident zum Beispiel Reformen schneller durchbringen, ohne einen langen Prozess im Parlament durchstehen zu müssen. Der Regent bleibt also handlungsfähiger.
Auf der anderen Seite befürchten die Menschen, dass sich das Land in ein neues Kalifat verwandelt. Der Präsident ist in den letzten Wochen bereits durch seine strenge Hand gegen Andersdenkende aufgefallen. Regierungskritische Journalisten landeten im Gefängnis. Ausländischen Reisenden wurde die Ein- oder Durchreise verwährt. Über dem Land hängt der Ausnahmezustand und der Präsident denkt darüber nach, die Todesstrafe wieder einzuführen. Einige ausländische Investoren ziehen bereits ihr Kapital aus türkischen Märkten zurück. (Was die wirtschaftliche Lage nicht erleichtert.)
Warum sind vor allem deutsche Türken im Schnitt mehr für die Änderung? Hier ist vor allem der Deutsche Staat Schuld. Man lies Generationen an Türken als gern gesehene Gastarbeiter kommen, kümmerte sich aber sonst recht wenig um sie. Heute zeugen Stadtteile, die fast ausschließlich in türkischer Hand sind, von der mangelnden Integration. Diese Bürger und deren Nachkommen sind hin- und hergerissen zwischen zwei Kulturen. Die Besinnung auf einen starken Lenker sind da nicht verwunderlich.
Was soll ich Glauben? Per se darf man nicht direkt den Teufel an die Wand malen. Die Zeit wird zeigen, ob der Kurs der Türkei so bleibt, oder ob man Mäßigung erwarten kann. Jesus selbst sagte: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!" [1], auch wenn sich seine Aussage eher auf Geld und Reichtum bezogen war, so können wir dennoch positiv damit umgehen. Trotz neuem System können wir alle dennoch Nächstenliebe und Gottestreue leben. Sobald aber staatliches Recht gegen göttliche Prinzipien (wie zB die Zehn Gebote) verstößt, gilt es, wachsam und aktiv zu sein. Paulus sagte zwar: "Jede Seele unterwerfe sich den übergeordneten staatlichen Mächten! Denn es ist keine staatliche Macht außer von Gott, und die bestehenden sind von Gott verordnet." [2], aber es wäre im Sinne des Apostels, Gottestliebe über jeden Regenten zu setzen, falls dieser ersterem entgegenarbeitet.
Fazit: Wie immer gilt es, Ruhe zu bewahren und die Situation zu beobachten. Es werden schwere Zeiten kommen, aber so war es in der Geschichte bisher oft. Die Lage in der Welt wird immer angespannter und vor allem deswegen sollten wir ruhig und besonnen agieren. Den weltlichen Menschen empfehle ich dann immer Vertrauen auf das Gute im Menschen; meinen Glaubensschwestern und -brüdern rate ich zum Gebet. So machtlos man sich alleine vorkommen mag, bei Gott ist alles möglich. Warum dann also nicht ein friedliches Europa?



Bild: ©DPA
[1] Die Bibel, Lukas 20,25
[2] Die Bibel, (Brief an die) Römer 13,1-7

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